Mehrwertsteuer-Regelung für Gutscheine in der Schweiz

In diesem Artikel

Unterschied zwischen Leistungs- und Wertgutscheinen

Leistungsgutschein (Gutschein, welcher als Vorauszahlung gilt)

Ist im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins die gegen Abgabe desselbigen beziehbare Leistung (z.B. ein 6-Gang-Degustationsmenu für 2 Personen) bereits im Konkreten definiert, liegt eine Vorauszahlung für diese Leistung vor, womit die Steuerschuld im Zeitpunkt der Abgabe des Gutscheins für die spezifische Leistung bzw. mit der Vereinnahmung des Entgelts für den Gutschein entsteht.

Wertgutschein (Gutschein, welcher als Zahlungsmittel gilt)

Beinhaltet der Gutschein jedoch lediglich das Recht, für einen bestimmten Wert Leistungen des Anbieters zu beziehen, kann noch nicht von einer bereits im Voraus bezahlten, konkreten Leistung gesprochen werden. Bei diesen Gutscheinen ist lediglich der Wert und der Anbieter bestimmt, jedoch nicht die im Konkreten zu beziehende Leistung. Dem Gutschein kommt damit vielmehr der Charakter eines Zahlungsmittels zu, womit die Veräusserung des Gutscheins keine Leistung darstellt. Bei gegebener Steuerpflicht entsteht die Steuerschuld in diesem Fall gemäss Ziff. 1.12.1 der MBI 06 unabhängig von der Abrechnungsart im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins oder, anders ausgedrückt, im Zeitpunkt der Hingabe des Zahlungsmittels «Gutschein» (Bezahlung) für den Erhalt einer bestimmten Leistung. Belege (Rechnungen, Quittungen usw.) über den Verkauf von Wertgutscheinen tragen keinen Hinweis auf die MwSt.

  

Alle Gutscheine als Wertgutscheine ausstellen

Damit all Ihre Gutscheine als Wertgutscheine gelten und somit die Leistung erst zum Zeitpunkt der Einlösung versteuert werden muss, kann auf sämtlichen Leistungsgutscheinen (z.B. Brunch- oder Übernachtungsgutschein) folgender Satz auf dem Gutscheinausdruck beigefügt werden:   

Der Gutschein kann auch für andere Leistungen eingelöst werden.

Durch diesen Zusatz wird beim Ausstellen nicht festgelegt, für welche Leistung der Gutschein verbucht werden muss und somit gilt er als Wertgutschein. Die Steuerschuld entsteht somit erst im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins. Es versteht sich von selbst, dass der Anbieter dem Inhaber des Gutscheins auf entsprechenden Wunsch auch tatsächlich Alternativen anbieten muss.

Bestätigung der Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV

Die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV hat uns diese Vorgehensweise mit dem Einlösehinweis auf dem Gutscheinausdruck am 12. April 2019 schriftlich bestätigt. An dieser Stelle bleibt darauf hinzuweisen, dass eine Auskunft der ESTV nur im Verhältnis Steuerpflichtiger – ESTV rechtsverbindlich ist. Im Rahmen von Treu und Glauben entfaltet die Auskunft jedoch gleichwohl eine Wirkung.
    

   

Verbuchung

Es empfiehlt sich, die Umsätze aus dem Verkauf von Wertgutscheinen nicht in der Erfolgsrechnung, sondern auf einem Passivkonto in der Bilanz zu verbuchen. Erst im Zeitpunkt der Einlösung ist das Entgelt zum massgebenden Steuersatz zu versteuern. Als Entgelt gilt der Gegenwert der erbrachten Dienstleistung (oder des verkauften Gegenstandes). Die MwSt. wird dann z.B. auf der Kassenquittung oder einer Rechnung ausgewiesen.

Buchungsbeispiel

Bei diesem Buchungsbeispiel handelt es sich um einen Gutschein mit dem Vermerk „Der Gutschein kann auch für andere Leistungen eingelöst werden“.

Verkauf Gutschein
Ein Kunde kauft bei Ihnen einen Gutschein für ein Romantikabendessen zu zweit im Wert von
CHF 166.00. Er bezahlt den Gutschein mit seiner Kreditkarte.
Soll Haben Betrag Bemerkung
Bank (Kreditkarte) Gutscheine (Passivkonto) CHF 166.00 kein Entgelt, keine MwSt. geschuldet

Einlösung Gutschein

Ihr Gast bezahlt sein Abendessen für sich und seine Freundin mit einem Gutschein im Wert von
CHF 166.00.

Soll Haben Betrag Bemerkung
Gutscheine (Passivkonto)
Ertragskonto CHF 166.00 zu versteuernde Leistung
Ertragskonto Kreditor MwSt.
CHF 12.44 8.1% Mwst.
  

Mehrwertsteuerliche Behandlung von Gutscheinen im Lichte der Rechtsprechung vom 10. August 2021

Im Beschwerdeverfahren ( Urteil vom 10. Aug. 2021, A-2587/2020) hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) zu beurteilen, ob die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Bundesrecht verletzte, indem sie den Umsatz aus erwiesenermassen verkauften, aber noch nicht eingelösten Leistungsgutscheinen als Vorauszahlungen qualifizierte.
Gemäss bisheriger Rechtsprechung qualifizierten entgeltlich abgegebene Gutscheine bei der Mehrwertsteuer als Zahlungsmittel. Daraus folge, dass der Empfänger durch die entgeltliche Abgabe von Gutscheinen grundsätzlich noch keine Leistung erhalte. Erst deren Einlösung führe zu einer mehrwertsteuerlich relevanten Lieferung oder Dienstleistung, die vom Leistungserbringer als Umsatz zu versteuern sei.
Vorauszahlungen im mehrwertsteuerlichen Sinne lägen dann vor, wenn für eine bestimmte oder zumindest bestimmbare künftige Leistung ein im Voraus bezahltes Entgelt geleistet werde. 
In dem zu beurteilenden Fall kommt das BVGer zum Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin verkauften Leistungsgutscheine jeweils eine klar bestimmte Aktivität bezeichneten (z.B. «Bungy […]», «[…] Vol en ballon [2 pers.] / […]» oder «Survol […] / Lieu de rencontre: […]»). Somit bestehe der von der Beschwerdeführerin einzuräumende wirtschaftliche Wert – wirtschaftlich betrachtet – nicht in dem Leistungsgutschein als solchen, sondern in der auf dem Leistungsgutschein bezeichneten, klar bestimmten Aktivität. Dem Gutschein selbst komme demgegenüber vor allem eine Ausweis-, Quittungs-, Organisations- und Kontrollfunktion zu, was zudem eine einfache Übertragbarkeit ermögliche (z.B. als Geschenk). Die Tatsache, dass der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der auf dem Gutschein bezeichneten Aktivität beim Verkauf des Gutscheins – im Rahmen des Verfalldatums – noch nicht bestimmt oder bestimmbar sei, ändere nichts daran, dass dieser Aktivität ein bestimmbarer wirtschaftlicher Wert zukomme.
In seinem Urteil liess das BVGer den Einwand der Beschwerdeführerin, dass der auf eine bestimmte Aktivität ausgestellte Gutschein auch für andere Leistungen verwendet werden könne und deshalb einem Wertgutschein gleichzusetzen sei, nicht gelten. Als Begründung führte es aus, dass dies aus dem Gutschein nicht ersichtlich sei.

Bereits im 2019 haben wir unsere Kunden darauf hingewiesen, dass zwischen Leistungs- und Wertgutscheinen unterschieden werden und ein entsprechender Hinweis auf den Leistungsgutscheinen vermerkt werden muss. Soweit Sie unsere Empfehlungen in diesem Artikel umgesetzt haben, besteht also kein Handlungsbedarf.

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